Notfallmanagement – die ersten Monate nach einem Todes- oder Unglücksfall

Auf einen plötzlichen Todes- oder Unglücksfall ist niemand wirklich vorbereitet – vor allem nicht emotional. Dieses Merkblatt möchte in dieser schwierigen Situation einige Hilfen bereitstellen, um erste Fragen aufzufangen.

Selbstverständlich stehen Ihnen sowohl ich als auch die Mitarbeiter meiner Kanzlei für Fragen zur Verfügung.

I.    Sicherung der Handlungs-fähigkeit des Unternehmens

Als erster Schritt müssen Sie als Betroffener darüber entscheiden (können), ob die Firma fortgeführt wird bzw. werden kann, oder ob die Firma aufgegeben oder veräußert wird. Diese Entscheidung prägt sämtliche weiteren Schritte.

Um die Handlungsfähigkeit im privaten und betrieblichen Bereich sicherzustellen, empfiehlt es sich insbesondere folgende Fragen zu stellen und Schritte zu veranlassen:

  • Gibt es Vollmachten/Bankvollmachten/ein Testament und wo sind diese Unterlagen?
  • Wer sind die zentralen Ansprechpartner im Unternehmen (Prokurist, Mitgeschäftsführer, Schlüsselmitarbeiter, EDV-Abteilung)?
  • Wurden die Anmeldedaten (Benutzername/ Kennwort für E-Mail-Accounts, EDV-Systeme, Maschinen etc.) hinterlegt?
  • Welche Projekte im Unternehmen sind akut und müssen vorangetrieben werden? Wie ist die aktuelle Geschäftspolitik des Unternehmens?
  • Sind die Verträge mit Lieferanten oder Kunden an die Person des Erblassers gebunden? Sind Anpassungen notwendig und möglich?
  • Welche Versicherungen (vor allem Risikolebensversicherungen, Betriebshaftpflicht, Betriebsausfallversicherungen) hat der Verstorbene privat/beruflich abgeschlossen?
  • Wie sieht es mit der betrieblichen/privaten finanziellen Liquidität aus? Es sollte so bald wie möglich der Kontakt mit der Hausbank aufgenommen und die Finanzen gesichtet werden.
  • Welche Vertrauenspersonen haben wichtige Kenntnisse (gute Freunde, Steuerberater, Firmen-/Familienanwalt, Finanzberater, Versicherungsbetreuer)?
  • Kontaktaufnahme mit Kooperationspartnern, befreundeten Unternehmen, die vielleicht zeitweise personell aushelfen können.
  • Information der wichtigsten Kunden und Lieferanten. Vorsorgliche Verlängerung (wenn möglich) etwaiger Fristen.
  • Welche Personen und Stellen müssen zusätzlich sofort verständigt werden? Beispielsweise: Hausbank, Gesellschafter, Testamentsvollstrecker, Berufskammern, Betriebshaftpflichtversicherung.

II. Haftung für Verbindlichkeiten

Erben haften für sämtliche Verbindlichkeiten, die der Erblasser hinterlassen hat. Egal ob diese Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Todes bekannt sind, oder unbekannt.

Hinweis: Die Haftung für Verbindlichkeiten kann auf verschiedenen Wegen eingegrenzt werden. Jede diese Möglichkeiten hat sowohl Vor- als auch Nachteile und sollte aus diesem Grund sorgfältig abgewogen werden. Gerne stehen wir Ihnen mit Rat und Tat zur Seite.

Der einfachste Weg, jede Haftung zu vermeiden, ist die Ausschlagung des Erbes. Die Ausschlagung kann aber nicht auf einen Teil des Nachlasses beschränkt werden. Wird das Erbe ausgeschlagen, so erhält der ursprüngliche Erbe – von einzelnen wenigen Ausnahmen abgesehen – nichts.

Neben der Ausschlagung stehen insbesondere folgende Möglichkeiten zur Verfügung, die Haftung für die Erben zu beschränken:

  • Vereinbarung einer Haftungsbeschränkung mit den Gläubigern oder die Eintragung einer Haftungsbeschränkung gemäß § 25 Abs. 2 HGB in das Handelsregister.
  • Fortführung des Betriebs unter einer anderen Firma (wichtig: die Umfirmierung muss unverzüglich nach dem Erbfall erfolgen. Dritte müssen einwandfrei erkennen können, dass es eine „neue“ Firma ist).
  • Einstellung des Geschäftsbetriebs innerhalb von drei Monaten nach dem Anfall der Erbschaft § 27 Abs. 2 HGB.
  • Inventarerrichtung gem. §§ 1993 ff. BGB.
  • Beantragung einer Nachlassverwaltung.
  • Um unbekannte Nachlassverbindlichkeiten in den Griff zu bekommen, kann die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens sinnvoll sein. Gläubiger müssen dann innerhalb einer festen Frist ihre Forderungen bekannt geben um diese (noch) geltend machen zu können.
  • Wenn eine Überschuldung des Nachlasses im Raum steht, muss sofort Nachlassinsolvenz beantragt werden um eine Haftung gemäß § 1980 BGB für die Erben zu vermeiden.

III. Berufsrecht und Versicherungen

Bei zulassungsbeschränkten Berufe und auch bei einzelnen Handwerksbetrieben, darf eine Firma nicht ohne Weiteres durch die Erben fortgeführt werden. Auch wenn Sie sich vielleicht über die Jahre umfassende Kenntnisse im Berufsfeld des Verstorbenen angeeignet haben und die Tätigkeit praktisch ausüben könnten, kann es rechtliche Einschränkungen geben.

Bei Handwerksbetrieben dürfen, nach dessen Tod, wenn sie nicht die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle erfüllen, nur dessen Ehegatte, das erbberechtigte Kind bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, der Testamentsvollstrecker, ein Nachlasspfleger, Nachlassverwalter oder Nachlassinsolvenzverwalter den Handwerksbetrieb fortführen. Ist nach dem Todeszeitpunkt ein Jahr vergangen, ist die weitere Fortführung grundsätzlich nur möglich, wenn das Unternehmen durch einen Handwerker geleitet wird, der den Eintragungsvoraussetzungen der Handwerksrolle genügt (Stichwort: Meisterzwang).

Rechtlich ist die Fortführung (mit der bereits genannten zeitlich beschränkten Ausnahmen für Handwerksbetriebe) jedoch untersagt, wenn der Verstorbene als alleiniger Berufsträger in der Firma tätig war (z. B. Steuerberater, Rechtsanwalt, Architekt). In solchen Fällen müssen Sie umgehend jemanden organisieren, der die nötige Ausbildung besitzt. Bewährt haben sich als Ansprechpartner in solchen Fällen Kooperationspartner, Zeitarbeitsfirmen, Berufsverbände.

Denken Sie bitte auch an die Berufshaftpflichtversicherung, wenn der Verstorbene alleiniger Berufsträger im Unternehmen war. Die Berufshaftpflichtversicherung ist in der Regel strikt personenbezogen und mit dem Tod des Berufsträgers erlischt eventuell die Berufshaftpflicht. Wichtig ist, dass der Schutz nahtlos aufrechterhalten bleibt, bis ein Nachfolger gefunden wurde.

IV. EDV

Heute haben digitale Inhalte und Zugangsdaten für EDV-Systeme erhebliche, wenn nicht entscheidende Bedeutung für das Unternehmen. Mit dem Tod des Verstorbenen übernehmen Sie als Erben rechtlich auch den vollständigen digitalen Nachlass – und dürfen über die Inhalte (vorbehaltlich rechtlicher/vertraglicher Grenzen) frei verfügen

Sollten die Zugangsdaten des Erblassers nicht zur Verfügung stehen, so haben Sie einen Anspruch gegen Provider für Internetseiten, E-Mail usw. auf Herausgabe der Zugangsdaten bzw. auf Ermöglichung des Zugriffs. Dieser Anspruch kann gerichtlich durchgesetzt werden. Verweigern Provider den Zugriff kann auf die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 17.12.2015 (Az.: 20 O 172/15) hingewiesen werden. Dort wurde erstmals gerichtlich zugunsten der Erben der Zugriff auf die Facebook-Daten gewährt.

Sia als Erben dürfen sogar, ohne sich strafbar zu machen, das Smartphone oder den PC des Erblassers „hacken“ um an wichtige Daten zu gelangen.

V. Erbschein

Wenn ein notarielles Testament vorliegt, wird grundsätzlich kein Erbschein benötigt. Auch bei einem handschriftlichen Testament kann sich ein Erbschein erübrigen, wenn das Testament so formuliert ist, dass sich die Erbfolge einwandfrei daraus entnehmen lässt. Zur Legitimation der Erbfolge reicht dann normalerweise die Vorlage des nachlassgerichtlichen Eröffnungsprotokolls und des Testaments.

Banken bestehen aber oft noch auf einem Erbschein. Sie sollten in solchen Fällen darauf hinweisen, dass nach aktueller Rechtsprechung in der Regel auch bei handschriftlichen Testamenten kein Erbschein mehr benötigt wird. Gerne stehen wir Ihnen hier unterstützend zur Seite.

Hinweis: Problematisch sind oft aber die Fälle, in denen kein Testament vorliegt. Dann ist ein Erbschein notwendig. Es kann dabei  zu massiven Verzögerungen kommen, wenn Uneinigkeit darüber besteht, wer Erbe wurde. Um den Fortbestand des Unternehmens nicht zu gefährden, kann in solchen Fällen eine vertragliche Lösung (mit entsprechenden Zahlungsvereinbarungen) zwischen den Beteiligten sinnvoll sein. – Bitte sprechen Sie uns in diesem Fall an. Gerne helfen wir Ihnen, eine Lösung auszuarbeiten.

VI. Banken

Banken haben erst dann eine Pflicht zur Leistung, wenn die Erbenstellung ausreichend geklärt und nachgewiesen wurde. Für Bestattungskosten lassen die Banken aber in der Regel eine Ausnahme zu, da der Erbe sowieso verpflichtet ist, die Begräbniskosten zu tragen.

Von der Mitteilung der Bank an das Finanzamt nach § 33 ErbStG sollte unbedingt eine Kopie angefordert werden, samt Mitteilung über begünstigende Vereinbarungen Gemeinschaftskonten und Schließfächern. So können sich die Erben einen raschen Überblick über sämtliche bei der Bank geführten Konten etc. machen. ¨

Ist unklar ob der Erblasser außer den bekannten Bankverbindungen noch weitere Konten unterhielt, können über die Bankenverbände, den Verband der Deutschen Kreditwirtschaft und die öffentlich-rechtliche sowie genossenschaftliche Kreditinstitute sämtliche inländischen Bankenverbindungen einer Person ermittelt werden.

VII. Immobilien

Bei Wohnimmobilie, die durch Sie selbst bewohnt werden, gibt es zunächst keinen akuten Handlungsbedarf.

Anders ist es bei angemieteten/vermieteten Immobilien und sonstigen Grundstücken. Sie als Erben haften ab dem Todeszeitpunkt für alle Verkehrssicherungspflichten, wie Räum- und Streupflichten. Auch eventuelle Gefahrenquellen (Wasserflächen etc.) sind abzusichern. Befinden sich z.B. Öltanks bei diesen Immobilien muss sichergestellt sein, dass die Haftpflichtversicherung Umweltschäden durch Ölaustritt absichert.

Hatte der Erblasser eine Wohnung privat angemietet, so können Sie ein Sonderkündigungsrecht wahrnehmen. Wird die Wohnung nicht gekündigt, setzt sich das Mietverhältnis automatisch fort. Es entstehen dadurch weitere Kosten.

Rechtsstand: 1.2.2017

Alle Informationen und Angaben in diesem Mandanten-Merkblatt haben wir nach bestem Wissen zusammengestellt. Sie erfolgen jedoch ohne Gewähr. Diese Information kann eine individuelle Beratung im Einzelfall nicht ersetzen.